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Wang Jixin und das Porzellan

by Angelica Bäumer

 

Wang Jixin ist ein Künstler der uns Betrachtern das Verstehen leicht macht und das nicht nur mit seiner feinsinnigen Malerei und seinem technischen Können, sondern ganz besonders wegen dem Thema, das er gewählt hat: Er hat ein Teil der chinesischen Kulturgeschichte als Motiv entdeckt, das ihn tief berührt, das zwar zerstört wurde, aber doch nicht ausgelöscht werden kann.

 

China ist das Land der Keramik, das Land des feinsten Porzellans, mit einer Jahrtausende alten Tradition und einer unglaublich hohen Kultur. Dass durch politisches Kalkül in Jingdezehn die Porzellanfabriken zerstört worden sind, dass dort eine uralte Geschichte gewaltsam zu Ende gegangen ist, mag wirtschaftlich motiviert sein, diese Tatsache hat aber einen sensiblen Künstler mit seinem ganz eigenen Blick auf die Dinge auf den Plan gerufen, denn Wang Jixin hat nicht nur die Zerstörung gesehen, er hat auch entdeckt, das hier etwas in Schönheit untergeht, etwas, das eine grosse Traurigkeit hat, das aber ebenso eine unglaubliche Vitalität ausstrahlt. Man sieht selbst noch in den Ruinen, welche Kraft in diesen Hallen war, welche Ordnung und Disziplin dort herrschten und man ahnt welch qualitätvolle Waren dort entstanden sind, auch wenn man die einzelnen Objekte nicht mehr erkennt und die Stapel von Tellern sich neigen – wann werden sie fallen?

 

Schlingpflanzen und kleine Bäume haben den Raum erobert, der Himmel sieht durchs offene Dach, die Fenster sind blind oder haben keine Scheiben mehr.

Wang Jixin hat diesen Verfall fotografiert und später in seinem Atelier gemalt. An diesen Fotos und an den Gemälden spürt man, dass da etwas geschehen ist, das weit über das einzelne Objekt hinausgeht. Ein künstlerisches, ein soziologisches, ein gesellschaftliches und letztlich ein über die Jahrtausende gewachsenes kulturelles Geschehen geht in diesen Ruinen sichtbar zu Ende. Ich möchte jetzt nicht auf die politischen Umstände eingehen, die wahrscheinlich die Hauptschuld daran tragen, dass dies zerstört wurde, aber es sind immer irgendwo politische Umstände, die etwas zerstören, was durch Jahrhunderte oder Jahrtausende gewachsen ist. Und es geschieht nicht nur in China, dass ein Künstler den Verlust ganz persönlich empfindet, sich verpflichtet fühlt darauf aufmerksam zu machen. indem er, ergriffen von der Atmosphäre, diese traurigen Reste fotografiert. Aber auch das genügt Wang Jixin nicht, denn später geht er ins Atelier und malt es, dieses verloren gegangene Stück Geschichte. Und er malt es deshalb so groß und so intensiv, weil der Eindruck so groß und so intensiv war. Die Fotos und die Bilder gehen eine Einheit ein. Das heißt, dass wir Betrachter sehen können, von was der Künstler ergriffen, dabei aber auch gleichzeitig ästhetisch begeistert war. Denn in seinen Bildern, in der Umsetzung des Erlebten, erkennen wir nicht nur seine geistige Auseinandersetzung mit dem Thema, sondern ebenso seine hohe künstlerische Qualität. In unendlichen Schichten erarbeitet Wang Jixin sich das, was er in der Realität gesehen und in einem fotografischen Schnappschuss festgehalten hat. Und im Atelier wird daraus in der Verwandlung zur Kunst ein Bild.

 

Ich glaube, dass hier etwas Geheimnisvolles passiert und da sind sich die Kontinente und die verschiedenen Kulturen gar nicht mehr fremd, es geht in der Kunst immer darum, dass man einen Dialog führt, Begegnung zwischen dem Objekt und dem Subjekt herstellt, dass Kommunikation möglich wird. Es geht jedem Künstler darum, dass er etwas, das er erkannt hat, das kann eine Emotion sein, ein Erlebnis, eine Beobachtung, eine Idee, in ein künstlerisches Ereignis verwandelt. Und genau das hat Wang Jixin gemacht, denn mit seiner Kunst knüpft er Kontakte mit Menschen aus seinem eigenen Land, aber auch mit Menschen aus anderen Ländern, die seine Art des Zugangs zur Geschichte einerseits und zur Verwandlung von Erfahrenem und Erkanntem in Kunst andererseits verstehen und sich ihrerseits dafür interessieren. So kann und soll Verstehen über die Grenzen der Länder, der Kulturen und der Traditionen hinweg entstehen. Es ist diese geistige und künstlerische Ernsthaftigkeit der Auseinandersetzung zwischen den Kulturen, die wir als ein Geheimnis, aber auch als eine Kraftquelle erfahren und erkennen können.

 

 

 

© Angelica Bäumer